Segel kaufen: Ein Leitfaden für das richtige Tuch
Heute stehen dem Kunden unendlich viele verschiedene Arten von Segeltüchern zur Wahl. Rupert Holmes erklärt deren Stärken und Schwächen
Vor dem Kauf einer neuen Segelgarderobe ist es unerlässlich, Prioritäten zu setzen. Dabei handelt es sich um unvermeidliche Kompromisse zwischen Performance, Kosten und Langlebigkeit. Und das ist oft gar. nicht so einfach wie man auf den ersten Blick vielleicht glauben könnte, sogar bei "einfachen" Fahrtensegeln.
Dabei beeinflusst die Fähigkeit eines Segels, seine vorgesehene Form zu halten die Handhabung des Bootes, die wiederum wichtig für den Komfort der Besatzung ist. Demzufolge sorgen sich alle Segler über das Ausmaß der Dehnung des Tuchs bei zunehmendem Wind oder Alter des Segels. Lesen Sie dazu auch unseren allgemeinen Ratgeber für den Segelkauf.

Durchgelattetes Großsegel und radial geschnittene Fock, beides aus Dacron. Nichts Aufregendes, aber solides Material für viele Segler.
Die drei wichtigsten Kriterien, die beim Segelkauf bedenken sind:
- Performance
- Kosten
- Lebensdauer
Dehnt sich ein Segel wandert der tiefste Punkt der Segelprofils nach achtern und das Segel wird dabei auch bauchiger. Daraus resultieren stärkere Krängung und weniger Höhe am Wind bei stärkerer Luvgierigkeit am Ruder. Die Kombination dieser Effekte machen ein Boot schwieriger zu segeln, weniger komfortabel und langsamer obendrein. Und ein Schiff, das sich schwerer steuern lässt, ist auch schwieriger zu kontrollieren, besonders für unerfahrene Steuerleute und für den Autopiloten, der öfter und stärker korrigieren muss und damit auch mehr Strom verbraucht. Damit werden schlechte Segel auch zu einer Sicherheitsfrage.
Bauchige Segel müssen auch früher und öfter gerefft werden, was wiederum mehr Knochenarbeit für die Crew bedeutet und die Segel auch stärker abnutzt: Denn jedes Killen und Flattern (etwa beim Ein- und Ausreffen) schadet dem Tuch mehr als 50 Meilen mit korrektem Trimm.

Durchgelattetes Groß mit gutem Profil, also der tiefsten Stelle im vordersten Drittel.
Beständigkeit gegen Biegung
Das ist der Schlüssel zur Langlebigkeit jeden Segels, dessen Fasern beim Falten beim Flattern, beim Setzen, Bergen oder Reffen ständig gebogen oder gar geknickt wird. Material, das dem am besten widersteht, gewobenes Dacron, ist unglücklicherweise auch dasjenige, das sich am meisten dehnt.
Fasern, die sich am geringsten dehnen, wie zum Beispiel Kohlefaser, sind dagegen sehr knickempfindlich. Aramide wie Technora und Spectra sind in dem Fall etwas besser und deshalb auch oft das Tuch der Wahl für die Laminatsegel auf größeren Racer/Cruisern. Polyester, das in dieser Hinsicht sogar noch besser ist, kommt ebenfalls zum Einsatz, hat aber den Nachteil der höheren Dehnung und der permanenten Verlängerung der Fasern mit der Zeit.

Dunkles Tuch, wenig Gewicht, gute Form: Kohlefasersegel, wie das Groß auf diesem Katamaran, sind erste Wahl bei ambitionierten Regattaseglern.
Man kann den Widerstand gegen das Biegen der Fasern durch eine Lage Polyester-Taffeta auf beiden Seiten des Segels erhöhen. Das zahlt sich besonders bei Segeln aus, die zum schnellen Fahrtensegeln oder bei Langstreckenregatten eingesetzt werden. Das kostet zwar extra, doch die Dividende wird in Form von einer deutlich längeren Lebenszeit zurückbezahlt. Ein empfindlicher Nachteil dabei ist jedoch das höhere Gewicht, das wiederum die Performance verringert, weil es just dort mitgeführt wird, wo es am meisten schmerzt und zusätzlich Krängung erzeugt: Hoch oben. Über den Daumengepeilt heißt das: Für 10 kg Mehrgewicht im Rigg benötigt man zur Kompensation etwa 30 kg mehr Ballast im Kiel.

Neue Segel mit Taffeta-Beschichtung sind etwas teurer und schwerer, aber auch beständiger gegen UV-Einstrahlung.
Herstellung
Einst war das einzige Tuch, das für Am-Wind-Segel zur Verfügung stand, gewobenes Dacron (oder Polyester), doch nun gibt es mit den Laminatsegeln deutlich mehr Optionen. Diese Segel bestehen aus mehreren Membranschichten, die miteinander verklebt werden und zwar mit den Strukturfasern dazwischen, wie eine Wurst im Sandwich. Solche Segel können. Entweder aus einem Stück bestehen , das gigantisch groß sein kann, wie etwa die 3DL Segel von North mit eingebauten den Faserverläufen, oder sie können, eher traditionell, auch aus Segelbahnen bestehen, die zusammengenäht sind, wie ein herkömmliches Dacronsegel.

Lastverteilung und Faserausrichtung. Grafik: OneSails
Bahnsegel
Im wesentlichen gibt es zwei Arten von Segeln, die aus Segelbahnen bestehen: Am einfachsten sind solche mit horizontalen Bahnen, die diagonal vom Mast zum Achterliek verlaufen. Stark im Kommen sind sogenannte Radialsegel, bei denen der Schnitt der Bahnen besser mit den lasttragenden Eigenschaften des Tuches übereinstimmt.
Laminatsegel, die aus einzelnen Bahnen bestehen werden bevorzugt im Radialschnitt hergestellt, weil das Tuch so ausgelegt ist, dass die Fasern dies unterstützen. Im Gegensatz dazu gibt es nur sehr wenige Dacrontücher, die sich für den radialen Segelschnitt eignen, denn die Fasern mit der geringsten Dehnung sollten entlang der Tuchrolle verlaufen, nicht quer, wie es bei einem normalen Diagonalschnitt der Fall ist.
Ein weiterer Aspekt von Dacronsegeln ist die Dichte der gewebten Fasern, wobei gilt: je höher, desto weniger Dehnung. Dazu kommt das Harz, das den verwobenen Fasern mehr Festigkeit verleiht, aber im Lauf de rZeit durch das Flattern aus dem Gewebe geschüttelt wird. und dann ist da natürlich die Preisfrage: Dicht verwobenes Dacron ist teuer, deshalb werden billigere Tücher loser gewoben, dafür mit mehr Harz getränkt. Solche. Segel stehen am Anfang gut, doch verlieren durch den Alterungsprozess relativ bald ihre Form.

Traditionelle Bahnsegel aus beigem Dacron sind besonders auf klassischen Yachten beliebt
Membransegel
Diese Art von Segeln ist für gewöhnlich am teuersten, doch sie bietet einige Vorteile: Der Segelmacher hat freie Hand, die lasttragenden Fasern genau nach der Belastung der verschiedenen Segelteile zu positionieren. Segel für die hohe Offshorebeanspruchung können zum Beispiel mit bis zu 40 Prozent mehr Fasern verstärkt werden als solche, die vorwiegend für Fahrten in Küstennähe gedacht und gemacht
Die Art der verwendeten Fasern hängt ebenfalls vom Verwendungszweck des Bootes ab. Trotz des eher geringen Widerstands gegen Biegung wird Kohlfaser von den wirklich ambitionierten Regattaseglern bevorzugt, weil es sich kaum dehnt, während auf Racer/Cruisern oft Technora/Spectrasegel zu Einsatz kommen, die auch mit Taffeta beschichtet sind, um eine längere Lebensdauer zu gewährleisten.
Kompromisse
Wer ein Segel wünscht, das sich für mehrere Weltumsegelungen eignet, wird mit einem qualitativ hochwertigen und entsprechend verstärkten Dacrontuch am besten fahren. Der Nachteil: Man wird einen großen Teil des Weges mit einem Segel unterwegs sein, das sich wenig von seiner ursprünglichen Form behält, weil es sich dehnt. Ein anderes Tuch, das in Betracht käme ist HydraNet radial, bei dem Dyneema-Fasern verwebt sind. Es ist teurer als gewobenes Dacron, doch wesentlich beständiger und hält auch mit fortschreitendem Alter seine Form deutlich besser.
Im Gegensatz dazu halten Laminatsegel ihre ursprüngliche Form bis ans Ende ihrer Haltbarkeit. Diese Haltbarkeit ist kürzer als bei einem Dacronsegel und es muss ersetzt werden, wenn Reparaturen zu teuer und unwirtschaftlich werden, selbst wenn die Form an sich noch brauchbar ist. Mit richtiger Behandlung aber können Fahrtensegel, die aus laminiertem Tuch bestehen und mit Taffeta beschichtet sind zehntausende Meilen halten.
Erhöhen der Lebensdauer
Wie oben erwähnt, verringern Killen und Flattern die Haltbarkeit eines Segels. Für das Fahrtensegeln sind durchgelattete Großsegel anzuraten, die gegen kaum killen können und somit auch länger ihren Dienst tun. Es ist ein typischer Fall, bei dem eine höhere Investition am Anfang die langfristigen Kosten senkt, weil das Segel nicht so schnell kaputt wird und ersetzt werden muss.
An dieser Stelle noch ein Wort zum Reffsystem. Dies sollte funktional und leicht zu bedienen sein, damit das Segel beim Reffvorgang selbst nicht zu lange schlägt. Und noch ein Tipp: Beim Motorsegeln das Groß dicht nehmen, um unnötiges Killen zu vermeiden, das dem Segel unweigerlich Schaden zufügt.
Lesen Sie auch unseren Ratgeber zur Wahl der richtigen Segel