Halle 6 auf der boot in Düsseldorf, es weht ein Hauch von Hollywood. Ausgestellt sind dort Schiffe von Azimut, Ferretti, Princess oder Prestige. Große Marken fürs große Geld. Und mitten drin: Frauscher, die österreichische Werft, die hier ihre neueste Kreation zeigt, die 1414 Demon, mit knapp 14 Metern bis dato das größte Boot im Programm, aber eines der kleineren in diesem Umfeld. Die Demon ist dazu ausersehen, neue Märkte und Reviere zu erschließen und das heißt: weg vom Binnensee, hin zur Küste und zur Kundschaft, die ein gediegenes Fahrzeug für ein Wochenende auf dem Wasser sucht. Nach außen hin verraten die sportlichen Linien der neuen Yacht eine Prise Männlichkeit, während unter Deck ein avantgardistisches Ambiente mit ungewöhnlichem Layout dominiert. Vieles geht auf Knopfdruck, wie das Ausfahren der Passarelle und des Bugankers oder das Öffnen der Beibootgarage. Das ist ziemlich viel Technologie, doch in dieser Liga ist Opulenz einfach Pflicht.

Neues Modell, neue Dimension: Die Frauscher 1414 Demon soll auch neue Märkte erschließen. Foto Dieter Loibner/boats.com

Neues Modell, neue Dimension: Die Frauscher 1414 Demon soll auch neue Märkte erschließen. Foto: Dieter Loibner/boats.com



Dass Frauscher gefragte Boote baut, ist nicht neu, schließlich ist dieser Familienbetrieb schon fast 90 Jahre im Geschäft. Das belegt ein hohes Maß an Überlebensfähigkeit, die der Passion fürs Genre, der Qualität des Handwerks, dem Geschäftstalent und der Innovationsbereitschaft geschuldet ist, aber auch einem Netzwerk von Fans und Freunden, die bei Bedarf helfen, Großes zu bewegen. Nicht zu vergessen die Disposition, wenn nötig die „Spur zu wechseln”, sich neu zu orientieren und neue Strategien zu probieren, ohne dabei die Firmenidentität über Bord zu werfen. Es geht um steten Wandel und Verbesserung, weshalb Frauscher sich gerne mit methodischer Optimierung auseinandersetzt, doch mehr dazu später.

Die Anfänge gehen auf Großvater Engelbert Frauscher zurück, der 1927 vom Salzkammergut nach Wien an die Alte Donau zog, um seine erste „Bootsbauerei” zu gründen, weil er sich in der schwierigen Zeit dort bessere Chancen ausrechnete. Der Betrieb wurde von den Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen, weshalb er nach Gmunden am Traunsee zurückkehrte, wo er seine nächste Werft startete, die anfangs Segelboote für US-Besatzungssoldaten reparierte, aber schon bald mit kleinen Motorbooten den Grundstein für eine Firma legte, die sich nun mit den Großen der Branche misst.

Ein Schnappschuss aus der Geschichte zeigt drei Frauscher-Motorboote bei einer Spritzfahrt am Traunsee im Jahr 1967

Spaß anno dazumal: Ein Schnappschuss zeigt drei Frauscher-Motorboote bei einer Spritzfahrt am Traunsee im Jahr 1967.



Die Geschäfte der Werft führen Stefan und Michael Frauscher, die für Marketing und Verkauf, bzw. für die Produktion verantwortlich sind und die dritte Generation von Bootsbauern repräsentieren. Am Messestand deutet vieles darauf hin, dass man die Spielregeln der Luxusliga verinnerlicht hat: dunkler Anzug fürs Personal, weiche Fauteuils für die Verkaufsgespräche und gekühlter Schampus für Geschäftsabschlüsse. Hier geht’s nicht um PS-Porno, sondern um Stil und um Emotion, wie vom Firmen-Slogan suggeriert.
Dennoch darf eine Prise Humor nicht fehlen. Und sei’s nur, dass der Boss vor Publikumseinlass mit einem Staubwedel übers Deck der Demon huscht. Doch in diesem trivialen Moment spiegelt sich der Unternehmensansatz wider, der auch kleinen Details große Aufmerksamkeit schenkt. „In Europa als die Besten in unserem Segment anerkannt zu werden”, definiert Stefan Frauscher das ehrgeizige Ziel der Firma, die sich nach der Rezession im Steigflug befindet: Der Jahresumsatz liegt bei etwa 10 Millionen Euro der vornehmlich mit Motor- und Elektrobooten erwirtschaftet wird. Seit 2012 wird in einer modernen Anlage in Ohlsdorf bei Gmunden produziert, auf Mallorca gibt’s eine firmeneigene Verkaufsniederlassung, und über Händler ist man in 14 Ländern präsent, seit kurzem auch in den USA.

Chefsache: Andrea Frauscher-Oberfrank, Stefan und Michael Frauscher

Chefetage (v.l.): Andrea Frauscher-Oberfrank, zuständig für den Frauscher Hafen, Stefan und Michael Frauscher, Geschäftsführer der Werft.



Das Styling der Boote hat eine Prise Sportwagenerotik, die sich besonders an Männer richtet, die entscheiden und es gewohnt sind, im Mittelpunkt zu stehen und deren Spielzeuge diesen Status auch symbolisieren. Politiker, Schauspieler, Wirtschaftskapitäne, Kunstschaffende und prominente Sportler zählen zur Kundschaft. Die Werft nennt offiziell keine Namen, aber laut Nachrichtenmagazin Profil sollen sich unter den Frauscher-Fahrern auch der König von Marokko und Software-Mogul Larry Ellison befinden, Klienten also, die hohe Ansprüche stellen.

Schick und schnell: Eine 747 Mirage Air mit Mittelkonsole zieht ihre Bahn übers Wasser.

Schick und schnell: Eine 747 Mirage Air mit Mittelkonsole zieht ihre Bahn übers Wasser.



Optik allein wäre freilich zu wenig, es bedarf auch kultivierter Konstruktion und dabei steht Frauscher reichlich Talent zu Diensten: Da ist Konstrukteur Harry Miesbauer, der für den Unterwasserbereich und die Hydrodynamik zuständig ist. Früher war er für Wally, Brenta und Frers tätig, was ihn als Spezialist für luxuriöse Segelyachten ausweist. Er wuchs unweit des Traunsees auf und lernte in seiner Jugend bei Frauscher das Segeln. Von da her kennt man sich. „Eines Tages rief Michael an und erklärte, ich müsse ihm ein Boot zeichnen”, erinnert sich der Konstrukteur. Ein Motorboot. „Ein Motorboot? Da hab’ ich ein wenig Schiss bekommen”, lacht Miesbauer. Gerechnet habe er alles wie bei einer Segelyacht, also pingelig aufs Gewicht geachtet, denn das schade auch Motorbooten nicht.

Das aktuelle Flaggschiff: 1414 Demon mit Stufenrumpf bleibt der typischen Formensprache treu, doch es sprengt die gewohnten Dimensionen

Flaggschiff anno 2016: Die 1414 Demon mit Stufenrumpf bleibt der typischen Frauscher-Formensprache treu, doch sprengt die gewohnten Dimensionen.



Miesbauer wiederum kannte Gerald Kiska, der ist Chefdesigner beim Motorradhersteller KTM und leitet in Salzburg seine eigene Agentur für Industriedesign. Er liefert die Linien und die Computerdaten für die Mutter-Formen der Frauscher-Boote. Dritter im Bunde ist Thomas Gerzer, der ebenfalls am Design mitarbeitet, sich aber auch um Fahreigenschaften und „nautische Notwendigkeiten” kümmert und entscheidet, welche Ideen in der Produktion umsetzbar sind. Das Ergebnis kommt in der Kritik gut weg: „Selbst bei Rauwasser und zügigem Fahren bleibt’s an Deck trocken, weil die lange Wasserlinie für stabilen Geradeauslauf sorgt und der tiefe V-Rumpf weich in die Wellen eintaucht”, urteilte ein Rezensent, der die Frauscher 858 Fantom am Meer testete.

Passendes Umfeld: Produktion und Endmontage im neuen Werk in Ohlsdorf bei Gmunden

Neues Umfeld: Produktion und Endmontage im Frauscher-Werk in Ohlsdorf bei Gmunden.



Dass sich eine Werft, die zwischen 60 und 80 Boote im Jahr produziert und gerade mal 45 Mitarbeiter beschäftigt, im Premiumsegment zu behaupten vermag, ist das Ergebnis einer gesteuerten Entwicklung und eines Umdenkprozesses, der einsetzte, nachdem Stefan und Michael den Betrieb von Vater Hans und Onkel Ernst übernommen hatten, während Cousine Andrea Frauscher-Oberfrank den Frauscher-Yachthafen in Gmunden leitet, der einen separaten Geschäftszweig darstellt. „Auf die alte Art kamen wir nicht weiter”, erklärt Michael Frauscher. Man wollte mehr, doch dazu musste man lernen, wie’s mit weniger geht. Das Zauberwort, das manchmal auch zum Reizwort mutierte, lautete: Schlanke Produktion, (Lean Manufacturing) eine Prozessoptimierung zur Reduktion von Verschwendung und Steigerung der Effizienz. Dazu gehört auch das auch Kaizen-Prinzip, das bei vielen internationalen Industriebetrieben implementiert ist und kontinuierliche Verbesserung zum Ziel hat und die 5-Why-Methode, die dem Qualitätsmanagement zugerechnet wird, bei Frauscher aber auch zur Weiterentwicklung genutzt wird. Ein Team aus den Bereichen Verkauf, Einkauf, Produktion und Design nimmt sich eine Stunde Zeit, um sich direkt am Boot zu fragen, was eleganter, zweckmäßiger und kostengünstiger gelöst werden könnte.

Auch in der modernen Produktionshalle finden sich wird noch viel von Hand gearbeitet, wie hier beim Tapezieren einer Rücksitzbank. Foto: Dieter Loibner/boats.com

Hand anlegen: Anpassung an Kundenwünsche fordert kreatives Werken. Roland Loidl, Dominik Huber und Zuljko Dzevad (v. r.) bereiten eine Rücksitzbank zum Tapezieren vor. Foto: Dieter Loibner/boats.com



„Es begann 2010, mitten in der Rezession, und wurde nach einer Probezeit 2012 eingeführt”, erinnert sich Michael an dieses riskante und stressvolle Unterfangen. Es gab Meinungsverschiedenheiten, gelegentlich auch „Schreiduelle”, doch am Schluss ging das Kamel durchs Nadelöhr, nicht zuletzt auch, weil auf das Netzwerk Verlass war: Armin Burger (Hofer, Aldi-Süd) und der Gmundener Baustoffunternehmer Andreas Asamer stiegen als Investoren ein und erhielten im Gegenzug jeweils 12,5 Prozent der Firmenanteile, die 2014 von der Familie wieder rückgekauft wurden. Nützlich waren die Kontakte zu Auto-Papst Ferdinand Piëch (Porsche, VW), der bei einem Werftbesuch fand, die Autoindustrie könne vom Bootsbau in Sachen Anpassung an Kundenwünsche lernen, so Stefan Frauscher, und zum ehemaligen Porsche-Pressechef Anton Hunger, der Tipps in Werbefragen erteilte.

Relaxed: Michael Frauscher hält für die Kamera eine kurze Siesta. An der Bürowand sind die nächsten Kaizen-Ziele angeschlagen. Foto: Dieter Loibner/boats.com

Relaxed: Michael Frauscher hält für die Kamera eine kurze Siesta. An der Bürowand sind die nächsten Kaizen-Ziele angeschlagen. Foto: Dieter Loibner/boats.com



„Marketing passiert uns einfach”, scherzt Michael, doch Frauschers Kampagnen sind alles andere als Zufall. Mit einer Mischung aus Lifestyle, Adrenalin und Produktplatzierung richten sie sich gezielt an Kunden, die Luxus lieben, aber oft noch kein Boot besitzen. Beispiele sind das Video mit dem Kunstpiloten Hannes Arch oder der Heineken Werbespot, der 2015 gedreht wurde mit James-Bond-Darsteller Daniel Craig, der Bösewichten entflieht, die auf zwei Frauscher 747 Mirage hinter ihm herjagen.

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Doch zurück zum Lean Manufacturing, das mithilfe von Porsche Consulting eingeführt wurde, wobei schon die erste Lektion weitreichende Konsequenzen hatte: „Ich dachte: Wenn ein Berater, der am Tag Tausende Euro kostet, zuerst seinen Schreibtisch bei uns aufräumen muss, wird das ein teurer Spaß”, erzählt Michael. „Beim nächsten Besuch war deshalb alles blitzblank.” Seither sind Sauberkeit und Ordnung ein gelebtes Prinzip, wie ein Rundgang durch die neue Werftanlage zeigt. Vom Empfang über Lager und Produktionshalle bis zur Umkleidekabine der Bootsbauer ist alles fast peinlich reinlich. Wie in einem Technologie-Startup sind die Büros einfach und funktional gehalten, mit Böden aus Beton und Wänden aus Glas. Damit sollen flache Hierarchien, Transparenz und rationelle Arbeitsabläufe gefördert werden. Schlank gilt also auch für die Chefetage. Wichtig sind der Fokus aufs Wesentliche und die Reduktion aufs Nötige.

Kein Platz für Kehricht: Lehrling Paul Ornetzeder bei der Besenpatrouille.

Kein Platz für Kehricht: Lehrling Paul Ornetzeder auf Besenpatrouille. Foto: Dieter Loibner/boats.com



Das Lager, das direkt an die Werkshalle anschließt, ist akribisch organisiert und äußerst überschaubar. Es gibt auch nur noch halb so viele Lieferanten, einige aus der unmittelbaren Umgebung, die auf Abruf und zeitnah zustellen, womit Frauschers Lagerkosten um mehr als 80 Prozent sanken. Die Produktpalette wurde gestrafft, es werden aktuell vier Motorbootmodelle gefertigt, sowie fünf Elektroboote. Die Rümpfe lässt Frauscher exklusiv in Italien laminieren, Deck, Ausbau, Installationen und Finish werden in Ohlsdorf gemacht. Einige ältere Typen sowie Segelboote werden nur noch auf Bestellung gebaut. Schade eigentlich, denn Segeln hat bei Frauscher große Tradition: Die O-Jollen, die Engelbert in den 1930ern baute, als sie olympische Bootsklasse waren, später gab’s Drachen, Zugvogel, Dyas, Trias und den hübsche Daysailer h 26. Der Renner allerdings war das H-Boot, von dem etwa 700 Einheiten auf Kiel gelegt wurden und mit dem sowohl Vater Hans als auch Sohn Stefan Weltmeister wurden.

Segel-Dominanz: Das skandinavische H-Boot war früher mal Bestseller der Werft und der Name Frauscher toppte auch zweimal die Ergebnisse einer WM.

Segel-Dominanz: Das skandinavische H-Boot war früher mal Bestseller der Werft und der Name Frauscher toppte auch zweimal die Ergebnisse einer WM.



Das Zurückschrauben der Produktion von Segelyachten ist ein Spurwechsel, den der Markt diktierte, sagen die Frauschers. Etwa 60 Prozent der aktuellen Produktion gilt Booten mit Verbrennungskraft, der Rest ist für solche mit elektrischem Antrieb reserviert. Die sind gefragt, weil sie von gesetzlichen Einschränkungen des Motorbootbetriebs auf Alpenseen ausgenommen sind. Die ersten E-Boote aus Holz wurden schon in den 1950ern gebaut und ihre GFK-Nachfolger sind bis heute bei Bootsvermietungen beliebt. Sie halfen Generationen von Gelegenheitskapitänen, ohne Führerschein über einen See zu schippern. Aber auch in dem Bereich fand ein Umdenken statt: Antriebe (z.B. von Kräutler oder Torqeedo) und Batterien sind um ein Vielfaches leistungsstärker und komplexer geworden, während Computer den Energieverbrauch regeln. Solche Boote sind schnell aber auch teuer dürfen auch nur mit einem Befähigungsnachweis gefahren werden.

Leises Steckenpferd: Seit den 1950ern baute Frauscher einfache und populäre Elektroboote. Daraus wurden im Lauf der Jahre High-Tech-Boote, die auch international gefragt sind.

Leises Steckenpferd: Schon in den 1950ern baute Frauscher Elektroboote. Daraus wurden im Lauf der Jahre schicke High-Tech-Fahrzeuge, die auch international gefragt sind.



Striktere Emissionsregeln im Zuge des Klimaschutzes würden die Frauschers nicht in Verlegenheit bringen, weil sie bereits Boote mit dem Steyr-Hybrid-Antrieb im Einsatz haben und vor einigen Jahren im Rahmen eines EU-Projektes den Prototypen eines Elektrobootes entwickelten, das mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird. „So schnell werden Motorboote wohl nicht abgeschafft,” erklärt Michael Frauscher, „doch sollte es neue Auflagen geben, sind wir durch unsere Kompetenz und Erfahrung mit alternativen Antriebstechnologien gut gerüstet.”

Wasserstoff statt Steckdose:I m Rahmen eines EU-Projekts modifizierte Frauscher ein Riviera-Elektroboot für den Betrieb mit einer Brennstoffzelle.

Wasserstoff statt Steckdose: Im Rahmen eines EU-Projekts modifizierte Frauscher ein Riviera-Elektroboot für den Betrieb mit einer Brennstoffzelle.



All dies ist natürlich weit weg von dem Geschäft, das Vater Hans und Onkel Ernst von Großvater Engelbert übernommen hatten. Die hatten nichts am Hut mit Prozessoptimierung, der 5W-Methode, Kaizen oder Brennstoffzellen. Aber das waren ja auch andere Zeiten mit anderen Herausforderungen und Perspektiven. Froh sei man, dass die Kinder das Familienerbe weiterführen, stellte Hans Frauscher aus gegebenem Anlass fest. Der Rückzug aus dem Betrieb ist für die Altvorderen oft ein schwerer Schritt, doch richtig vollzogen schafft er jene Freiräume, die die Jungen benötigen, um neue Impulse zu setzen und wenn nötig Kurskorrekturen vorzunehmen.
Bis jetzt, so hat es jedenfalls den Anschein, klappt dies bei Frauscher ganz gut. Der Messestand in Düsseldorf, mitten unter Megayachten, ist nur ein Symbol dafür.

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