Oysters neueste Baureihe G6, debütierte im Herbst 2016 mit der neuen Oyster 675, die eine sportlich-gestreckte Optik an den Start bringt. In der gleichen Façon swerden demnächst noch zwei weitere Modelle, die 565 und die 595 hinzukommen. Schon mit der 675 wird klar, dass die britische Nobelwerft gleich mit ein paar Traditionen bricht, um sich der Konkurrenz zu stellen, die den Briten in der 21-Meter-Kategorie durch Yachten wie die Contest CS67 der holländischen Edelschmiede Conyplex erwachsen ist.

Gestreckte Linien, aufgeräumtes Vordeck, aber immer noch typisch Oyster: Die neue 675 beim Test vor der Küste Mallorcas

Gestreckte Linien, aufgeräumtes Vordeck, aber immer noch typisch Oyster: Die neue 675 beim Test vor der Küste Mallorcas


Wie wir bei unserer Modellvorstellung in Düsseldorf bereits feststellten, weist die neue Oyster statt des altbekannten Skegruders eine Doppelruderanlage auf. Dieses Merkmal ist typisch für Konstrukteur Rob Humphreys, der solche Yachten schon seit vielen Jahren für andere Hersteller (z.B. Elan Yachts) konstruiert, aber auch für andere Oyster-Modelle, wie etwa für das Flaggschiff Oyster 118. Diese Doppelruder wirken sich auf Design und Performance aus: Es gibt mehr Platz an und unter Deck, besonders in der Achterkajüte und dem Stauraum, der nun auch zur Dingigarage erweiterbar ist.
Vor allem aber bleibt das Boot bei Krängung leichter beherrschbar, weil das leeseitige Ruder stets vollständig im Wasser ist und vertikal ausgerichtet bleibt. Rein optisch wirkt die Oyster 675 gestreckter und sportlicher, auch weil das Vordeck nun absolut plan ist, was auch eine bessere Sicht nach vorne ergibt. Moderne Fertigungsmethoden und unidirektionale GFK-Matten helfen der 675 gegenüber dem Vorgängermodell Oyster 655 etwa drei Tonnen an Gewicht zu sparen, wobei die Wasserlinie länger ist und der Rumpf mehr Volumen hat. Dies resultiert in mehr Geschwindigkeit und mehr Lebensraum.

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Erstmals mit Eignersuite achtern


Oyster beschreitet auch mit dem Layout neue Wege und bietet für die 675 erstmals auch eine Anordnung mit der Eignerkabine vorne an, obschon das getestete Boot noch traditionell ausgelegt war also Eigners Schlafgemächern achtern. Die für Oyster typischen drei vertikalen Rumpffenster, sorgen für deutlich mehr natürliches Licht und eine sehr gute Aussicht. Die drei anderen Unterkünfte teilen sich auf eine Stockbettkabine hinter dem Navigationsplatz, eine Doppelkabine vor dem Hauptschott und einer VIP-Kajüte im Bug auf. Alternativ können vorne auch zwei Doppelkabinen und eine Crewkajüte mit Zugang vom Vordeck installiert werden.

Eignerkammer achtern, ganz nachTradition. Doch auf der 675 kann die Eignersuite auch im bug installiert sein.

Eignerkammer achtern, ganz nachTradition. Doch auf der 675 kann die Eignersuite auch im bug installiert sein.



Die große Galley lässt keine Wünsche offen, ist besser ausgestattet als so manche Küche an Land. Corian Arbeitsflächen, tiefe Schlingerleistenund ein riesiger Kühl/Gefrierschrank dazu noch platz für eine Mikrowelle, Wasch/Trockenmaschine und eine Dunstabzughaube, wenn gewünscht. Genauso opulent ist die Navi-Ecke an Steuerbord der Niedergangstreppe ausgestattet, mit ausreichend Platz für die diversen elektronischen Hilfsmittel, aber auch für das Arbeiten mit großen Papierkarten.

Am meisten beeindruckt natürlich der Salon, der sich über die gesamte Schiffbreite erstreckt mit Sitzecke an Backbord und Esstisch an Steuerbord. Auch hier die typischen Rumpffenster, die gemeinsam mit den Skylights und den Fenstern im Aufbau für ein angenehm helles Ambiente sorgen. Natürlich bietet Oyster seinen Kunden eine große Auswahl von Polsterungen und Holzfurnieren an. So war das Testboot mit einer hinreißenden Kombination von weißer Eiche mit Walnussböden und weißer Alcantra-Sitzbezügen ausgestattet. Und das genaue Hingucken zahlt sich aus, denn die Möbeltischler arbeiten auch bis ins kleinste Detail mit größter Sorgfalt, wie man am Zedernholz in den Kästen sieht und an den säuberlich eingearbeiteten LED—Lichtern zur Beleuchtung der Niedergangsstufen.

Salon vom Feinsten: Blick von der Galley nach Steuerbord auf den großen Esstisch.

Salon vom Feinsten: Blick von der Galley nach Steuerbord auf den großen Esstisch.


Auf Wunsch mit Yachtheck


Das flache Deck schafft Ordnung und sieht noch dazu gut aus. Im Cockpit vorne bietet die Gästelunge Platz für 10. Wer dort nicht sitzen möchte, kann sich auf eine der beiden L-förmigen Sitzbänke in den Heckkörben zurückziehen und das Geschehen von dort ungestört verfolgen. Interessant auch die Version mit vertikalem Heck, die ein größeres Achterdeck und eine Dingigarage darunter bietet, die einen bis zu 3,40 Meter langen Tender aufnimmt.
Alle Kontrolleinen außer den Fallen werden von den beiden Steuerständen aus bedient. Praktisch ist die Standardausstattung mit Rollanlagen für Vor- und Großsegel, womit sich beim Segelön viel Arbeit an Deck einsparen lässt. Auf einen Großschot-Traveler hat Oyster bewusst verzichtet, damit das Cockpit sicher und frei von leinen bleibt. Getrimmt wird, auf Wunsch, mit einer elektrischen Winsch, die auch gleich das lose Ende der Schot aufnimmt.

Alles im Griff, alles unter Kontrolle. Arbeitsplatz des Rudergängers im Oyster-Cockpit

Alles im Griff, alles unter Kontrolle. Arbeitsplatz des Rudergängers im Oyster-Cockpit



Ein weiterer Bruch mit der Tradition des Hauses wagt Oyster mit Püttingen aus Kompositmaterial und nichtüberlappenden Vorsegeln. Sehr praktisch für längere Passagen und eine große Bandbreite von verschiedenen Bedingungen ist das entfernbare innere Vorstag, das sich wegen seiner Vielseitigkeit bei Fahrtenseglern steigender Beliebtheit erfreut und auf der 675 hydraulisch durchgesetzt wird. Daran werden kleinere Vorsegel bzw. die Sturmfock gesetzt. Alternativ kann die Yacht auch mit einem konventionellen Kutterstag ausgerüstet werden oder einer kleinen Selbstwendefock.

Wer es gerne flotter hat, wird vermutlich ein durchgelattetes Großsegel bestellen, das horizontal im Großbaum aufgerollt wird. Mithilfe einer kaptiven Fallwinsch kann das Großsegel dann komplett auf Knopfdruck gesetzt, geborgen oder gerefft werden. Ebenfalls gut zum Charakter der 675 passen die Laminatsegel von North, ein vernünftiges Upgrade der Standardgarderobe aus Dacron.

Gute Sicht dank flachen Decks


Das von uns getestete boot, war Baunummer 1, die direkt aus Engöland nach Palma überstellt worden war. obwohl es ein Vorführboot auf den Messen in Southampton und Düsseldorf war und 1600 Meilen im Kielwasser hatte, sah es fariksneu aus. Die Besatzung sprach von einer Spitzengeschwindigkeit jenseits von 17 Knoten und häufig mehr als 9 Knoten im entspannten Betrieb. Daraus lässt wsich schließen, dass die Oyster 675 auf langen Ozeanpassagen ein echter Meilenfresser sein dürfte.

Der Test fand an der Südwestküste Mallorcas statt an einem Tag an dem die Seebrise mit maximal 14 Knoten für traumhafte Bedingungen sorgte. Los ging’s unter asymmetrischem Spinnaker auf  Raumschotkurs, auf dem die 675 leichtfüßig 9,5 bis 10 Knoten lief bei einem wahren Windeinfallswinkel von etwa 115 Grad. Bei Verhältnissen, die einen auf so manchen schiffen mit Einzelruder zum Schwitzen bringen können, lief die Oyster ruhig und bleib stets unter Kontrolle dank der Doppelruderanlage, die ein positives Feedback lieferte, was sich auch bei spitzeren Winkeln und stärkeren Böen nicht änderte. Sogar auf radikales Abfallen ohne Schrick in den Schoten reagierte die Yacht sofort, ein Beweis, dass das Leeruder einen beruhigendes Maß an Grip aufwies.

Bergauf ließ sich die Oyster 675 leicht im sogenannten Groove bewegen und machte dabei beindruckend was weiter. Wer das Steuern auf der Kreuz liebt, wird sich auch über die angenehme Sitzposition freuen, die man in Luv einnimmt während man sich mit den Füßen am Steuerpodest abstützt. Dabei hat man ausgezeichnete Sicht nach vorne und behält das gesamte Vorliek der Fock im Auge. Der Bereich hinter dem Decksaufbau  bleibt dabei allerdings im toten Winkel. Doch diese Yacht ist kein Dingi und wird dementsprechend auf langen Passagen wohl meist mit Autopilot gesteuert. Das Standardsystem dafür hat zwei linear ausgerichtete hydraulische Mechanismen, einen die zieht, den anderen, der schiebt. Beruhigend: einer alleine würde für die Arbeitslast reichen, es gibt also ausreichend Sicherheit und Redundanz.

Reichhaltige Standardausstattung


In der Vergangenheit wurden derartig luxuriöse Yachten mit einer verwirrenden Vielfalt von optionen angeboten, doch bei der G6-Serie hat Oyster die meiste Ausrüstung standardisiert, die ohnehin jeder Eigner spezifizieren würde. Gleichzeitig hat man aber auch die Grundausstattung wesentlich erweitert, zum Beispiel mit Klimaanlage, hydraulischen Rollreffanlagen für Fock und Großsegel, einen Generator, Bug- und Heckstrahlruder, Ausstattung der Bordküche, Gel-Batterien mit erhöhten Ladekapazitäten und, natürlich, elektrische -winschen. Dennoch können Kunden weiterhin nach Herzenslust wählen: Layout, Rigg-Konfiguration, Oberflächenfinish, Polsterung und Zusatzausstattung. Nicht zu vergessen die beiden Kielvarianten, die Oyster für die 675 anbietet, einen Festkiel mit 2,95 m Tiefgang wie auf unserem Testboot, oder einen Schwenkkiel.

Spielt alles: Die abgesenkte Pantry an Backbord,

Spielt alles: Die abgesenkte und sehr hochwertig ausgeführte Pantry an Backbord.


Mehr als nur Boot


Wer eine Oyster kauft, will weit mehr als nur ein Boot, wie zum Beispiel das Supportnetzwerk und der Eignergemeinschaft, auf die die Werft so viel hält und die auch ein Grund für die Kundentreue ist. Fast die Hälfte der Produktion wird an existente Oyster-Kunden ausgeliefert. Daraus ergibt sich auch, dass die Projektmanager, die von den Eignern beauftragt werden, über mehrere boote und Jahre mit der Werft zusammenarbeiten. Kapitäne und Besitzer werden auch zu Werftbesichtigungen eingeladen und ermutigt, Gutachter zur Überwachung des Baus ihrer Yacht zu entsenden.
Die Überstellung vom Werk in England nach Mallorca ist der Shake-Down-Cruise, also die Testfahrt vor der Auslieferung. “Es ist die beste Art von Fehlerbeseitigung”, sagt Jamie Collins, der die Oyster-Basis auf Mallorca leitet, die eigentlich nur für Supportzwecke ins Leben gerufen wurde, heute aber 30 Liegeplätze und 15 Vollzeitbedienstete hat, Ingenieure, Bootsbauer und Kapitäne. Eine ähnliche Basis gibt es übrigens auch in Newport, Rhode Island.  Dazu kommen nich die diversen Oyster-Regatten, die regelmäßig in Mallorca und in der Karibik veranstaltet werden und die Oyster World Rallye, eine 15 Monate dauernde Weltumsegelung mit Start und Ziel Karibik, die alle zwei Jahre stattfindet und zu der sich bis zu 30 Boote einfinden.
Klar, so ein Vergnügen bleibt nur einem erlesenen Kreis von Klienten vorbehalten. Es gibt zahlreiche Boote in der Größenordnung der Oyster 675, doch viele kosten nicht mal die Hälfte. Wer die Mittel hat wird sich allerdings etwas gedulden müssen, denn die Werft ist derzeit so stark ausgelastet, dass die nächste Oyster 675 erst Anfang 2018 fertiggestellt werden wird.

Oyster 675 Spezifikationen


Lüa: 21,03m
Rumpflänge: 19,89 m
Waterline length 18,16 m
Breite: 5.65 m
Tiefg. (Festkiel): 2, 95m
Verdr. (leicht).: 37,5 t
Ballast (Anteil): 11,3 t (30%)
Segelfl.: 235,5 m2
Wasser: 1270 l
Treibst.: 1900 l
Motorisierung: 180 PS Volvo Penta Saildrive
Prieis ( (ohne MwSt.) ca. 3 Millionen Euro
Design: Humphreys Yacht Design
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Geschrieben von: Rupert Holmes
Rupert Holmes has more than 70,000 miles of offshore cruising and racing experience, in waters ranging from the North Sea to the Southern Ocean and Cape Horn. He writes about all aspects of boat ownership and marine travel, including destinations, seamanship and maintenance, as well as undertaking regular new boat and gear tests. He currently sails around 5,000 miles per year and in the past couple of seasons has cruised from the UK to the Azores, as well as winning his class in the 2014 two-handed Round Britain and Ireland Race. He also owns two yachts, one based in the Mediterranean and the other in the UK.
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