Super Air Nautique GS20 Electric Bootstest
Können Amerikaner eigentlich auch elektrisch? Ja, können sie, mit einem Umweg über Österreich und der Super Air Nautique GS20 Electric, die wir am Wörthersee fahren konnten.
Moderne Zugboote wie die Super Air Nautique GS20 bieten Brettsportlern nicht nur die Möglichkeit, sich auf Wasserskiern oder einem Wakeboard hinterher ziehen zu lassen, sondern auch ganz ohne Seil auf der Heckwelle zu surfen. Dazu sind sie mit allerlei technischen Hilfsmitteln ausgestattet, wie zum Beispiel mit Wasserballast und dem dem elektronisch gesteuerten Nautique Surf System, das entweder vom Fahrer über einen Touchscreen am Armaturenbrett oder vom Sportler selbst über eine Fernbedienung kontrolliert wird. Letztere erlaubt auch Zugriff auf die Musikauswahl auf der Bordstereoanlage, deren Außenlautsprecher am Targabügel die Darbietungen am Wasser beschallen.

Auch als Stromer flott: Die Super Air Nautique GS20 Electric am Wörthersee. Foto: boats.com/Loibner
Diese Super Air Nautique GS20 des US-Herstellers Nautique Boats wird vom österreichischen Importeur Ortner Boote vertrieben. Der Clou dabei: Die GS20, die eigentlich mit drei verschiedenen Benzinmotoren von 350 bis 455 PS ausgestattet ist, wird von Ortner auch mit E-Antrieb angeboten. Damit kann dieses Boot auch auf Alpenseen eingesetzt werden, auf denen vom Gesetz her starke Einschränkungen für die Zulassung von Wasserfahrzeugen mit Verbrennungskraftmotoren gegeben sind. Die E-Version der GS20 wird deshalb am Firmenstandort Ortners in Villach mit einem 220 KW starken Motor ausgestattet, der im Vergleich zu Konkurrenzprodukten fast die doppelte Leistung abrufen kann und von einer Lithium-Ionen-Mangan-Batterie mit Energie versorgt wird, die eine Kapazität von bis zu 100 KW/h aufweist. „Die Zellen sind alle in Stahl gekapselt, also absolut sicher", sagt Firmenchef Hans Ortner „Das ist eine Technologie, wie sie auch im Automobilbereich – etwa bei Tesla – zur Anwendung gelangt."

Hans Ortner, der Nautique-Boote importiert und in seinem Betrieb die GS20 mit E-Antrieb ausstattet. Foto: boats.com/Loibner
Angesichts des Skandals um die illegalen Abschalteinrichtungen zur Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen scheint der E-Antrieb zusätzlichen Rückenwind zu bekommen. Unabhängig davon gelten aber auf vielen Alpenseen schon lange strenge Umweltauflagen und gesetzliche Beschränkungen für Boote mit Benzin- oder Dieselantrieben. Dadurch erleben Elektroboote einen regelrechten Boom, wobei die neuesten Modelle nichts mit den altbackenen Leihbooten zu tun haben, die es schon seit den 1960ern gibt und mit denen jedermann führerscheinfrei, langsam und gemütlich seine Runden drehen kann. Viele dieser neuen Modelle erreichen Gleitgeschwindigkeit und kommen damit dem „Motorbootfeeling" schon recht nahe, auch wenn das Röhren der Maschine fehlt und die Reichweiten (noch) nicht mit jenen vergleichbar sind, die Boote mit fossilen Brennstoffen erreichen. Aber auf einem kleinen See ist es nicht weit bis ans rettende Ufer, bzw. zur nächsten stromspendenden Steckdose.
„Die meisten Kunden wollen keine Kompromisse eingehen oder Abstriche beim Komfort hinnehmen”, sagt Firmenchef Hans Ortner. „Sie wollen ein Elektroboot so nutzen, wie ein herkömmliches Motorboot." Dementsprechend groß sind die Bemühungen auf der Super Air Nautique GS20 Electric, den gewohnten Bedienungskomfort und dieses Motorbootgefühl beizubehalten. Da ist zum Beispiel der „Gashebel", der von der Optik und Haptik her an den der Benzinversion angepasst ist. Auch die Benutzerführung auf dem Touchscreen am Armaturenbrett sei exakt so, wie die auf den anderen GS20-Modellen.„Wir haben eng mit den Ingenieuren von Nautique kooperiert um die gleiche grafische Oberfläche für die Bedienung beizubehalten", so Ortner. Eine Einschränkung gibt es dennoch: Vorerst sind die Menüs der LINC Panoray Helm Control nur auf Englisch verfügbar.

Zahlen lügen nicht, auch mit „Halbgas" geht es auf der elektrischen GS20 immer noch flott zur Sache. Foto: boats.com/Loibner
Auf dem Wasser zeigte sich, dass das maximale Drehmoment schon ab null Umdrehungen zur Verfügung steht, also gleich vom ersten Moment richtig Dampf am Kessel ist. Es ist ein Phänomen, das Porsche-Fahrer aus leidvoller Erfahrung kennen, wenn sie beim Lossprinten an einer grünen Ampel gegen ein unscheinbares Elektromobil auf den ersten Metern den Kürzeren ziehen. Beeindruckend auch, wie kraftvoll die GS20 mit 4 Personen an Bord und gefluteten Ballasttanks startete. Mit einer Gesamtverdrängung, die Ortner auf mehr als drei Tonnen schätzte, produzierte das Boot stattliche Wellenberge, die sich sowohl vom Steuerstand als auch vom Athleten (per Fernbedienung, siehe oben) in Höhe und Form konfigurieren lassen und wohl jedem Wakesurfer Lust auf mehr machen. Nicht zuletzt auch, weil hinter der GS20 Electric bei der Ausübung des Sports keine schädlichen Abgasdämpfe eingeatmet werden müssen.

Die Heckansicht verrät dem Auge nicht, dass es sich hier um ein Elektroboot handelt. Doch die Nase errät es: Keine Abgase! Foto: boats.com/Loibner
Auch wenn die Super Air Nautique GS20 als Zugboot und somit nicht auf Topspeed ausgelegt ist, soll sie mit dem nur 75 Kilogramm schweren E-Motor laut Ortner immerhin 43 Knoten Höchstgeschwindigkeit erreichen und verfügt dabei über ein Drehmoment von gigantischen 750 Newtonmetern, im Hypermodus sogar 850 NM. Theoretisch seien weit über 1000 NM abrufbar, so Ortner, doch das läge zu weit über dem Maximaldrehmoment, für das die GS20 konstruiert wurde und das mit dem 455-PS-Benziner umgerechnet bei etwa 630 Newtonmetern liegt. So viel Power braucht natürlich Energie, die sich dieses Boot aus einem bis zu 100kWh starken Akku zieht, der für sich schon ungefähr 30.000 Euro kostet und 500 bis 600 komplette Ladezyklen verkraften soll. Der Preis erklärt sich aus der aufwändigen Technologie und aus der großen Nachfrage, die am Autosektor für derartige Batterien herrscht. Hersteller von Elektrobooten können mit ihren Stückzahlen nicht konkurrieren, müssen sich deshalb mit ihren Bestellungen „hinten anstellen” wie Ortner es formuliert.

Mit Ballast und Passagieren an Bord baut die GS20 eine imposante Heckwelle auf. Foto: boats.com/Loibner
Zwei bis drei Stunden Brettsport sollen mit einer komplett geladenen Batterie möglich sein, wobei die volle Leistung zur Verfügung steht, bis der Akku nur noch 15 Prozent der Ladekapazität bereithält. Danach wird abgeregelt bis die GS20 im Energiesparmodus mit etwa 4 Knoten unterwegs ist. Der Halbgleitermodus wird dabei vollkommen übersprungen, um mehr Power zu konservieren. Bei den Probefahrten war der Akku durch eine vorherige Vorführfahrt schon ziemlich gebraucht, deshalb blieb es bei ca. 20 Knoten, dafür ließ sich das Abregeln gleich testen. Hat auch funktioniert und die GS20 kehrte zwar deutlich langsamer, aber mit ausreichender Restkapazität in der Batterie in den Stall zurück. Ganz ohne Schweiß und ohne Paddel, weil der Bordcomputer stets alle Informationen über den Ladezustand der Batterie und die verbleibende Reichweite anzeigte und die Geschwindigkeit entsprechend dosierte.
Abhängig vom Stromanschluss könnte die Batterie in etwa 4 Stunden komplett geladen werden, wenn sie zuvor vollständig runter gefahren wurde. Doch auch an einem See mit hoher E-Boot-Dichte, wie dem Wörthersee, gibt's zur Zeit noch nicht genügend schnelle Ladeanschlüsse wie zum Beispiel die des Combined Charging Systems. Doch Ortner hofft, mit dem lokalen Netzbetreiber eine Lösung zu finden, bei der ein Starkstromkabel durch den See verlegt wird, das die Versorgung für Schnellladestationen am Ufer sichern soll, ohne dass langwierige und teure Grabarbeiten an Land ausgeführt werden müssten.

Zeit fürs Nachladen: Der Bordcomputer hält den Fahrer am Laufenden. Foto: boats.com/Loibner
Ungeachtet der großen Investitionen, die für den Ausbau der Infrastruktur für den Einsatz von Elektromobilität in großem Maßstab notwendig werden, repräsentieren die E-Versionen der Super Air Nautique GS20 und der größeren GS210 den aktuellen Stand der Technik. Angesichts des Verkaufspreises von über 225,000 Euro pro Stück werden diese Boote bis auf weiters allerdings eher einer illustren Klientel vorbehalten bleiben. Dennoch war die E-Version der Super Air Nautique GS20 für 2017 bald vergriffen und Ortner hofft den Absatz im kommenden Jahr zu verdoppeln, wobei seine Prognose bei 50 bis 60 Einheiten liegt. Die Nautique-Zentrale in Florida beobachtet die Entwicklung jedenfalls mit Interesse. „Wir haben Nachfragen von Konsumenten aus der ganzen Welt erhalten und glauben, dass der nordamerikanische Markt für diese Art des Antriebs in der Zukunft tragfähig sein wird", sagt Greg Meloon, der Präsident von Nautique Boat Company.
Die Wachstumschancen für alternative Antriebstechnologien, so Meloon, verbessern sich weil der Leistungsunterschied zu den Benzinern schwindet. Die beiden neuralgischen Punkte sind weiterhin Anschaffungskosten und Reichweite, doch auch hier verspricht sich der Nautique-Chef Impulse vom Fortschritt in der Autobranche und in Parallelindustrien, der diese Lücken schließen helfen wird. „Ich glaube, dass sich Nautique-Boote mit E-Antrieb in den kommenden fünf Jahren einen eigenen Markt schaffen werden, als Ergänzung, nicht als Ersatz (für Boote mit Verbrennungskraftmotoren)." Vielleicht rechnet Meloon mit einer Entwicklung wie am Automarkt, wo bereits jetzt etliche Fahrzeuge für weniger als 30.000 Euro (z.B. von Citröen, Hyundai, Nissan, Peugeot, Renault, Smart) angeboten werden, die Normalverdienern den Einstieg in die Welt des Elektroantriebs erleichtern. Sollte es in Zukunft auch bei Booten in diese Richtung gehen, scheint Nautique dank Ortners Initiative gut gerüstet.

Fahrverhalten und die Bedienungselemente sind bewusst an die Nautique-Modelle mit Verbrennungskraftmotor angelehnt, denn die Käufer wollen sich auch auf einem schnellen Elektroboot wie auf einem Motorboot fühlen. Foto: boats.com/Loibner
Technische Daten Super Air Nautique GS20 Electric
Lüa (inkl. Plattform): 6,73 m
Länge: 6.10 m
Breite: 2.54 m
Tiefgang: 0.69 m
Gewicht: 2.041 kg
Motorisierung: 220 KW (äquivalent ca. 295 PS)
Wasserballast: 839 kg
Personen: 12
Preis: ab € 227.560,- inkl. 20% MwSt
Importeur: Boote Ortner
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