Wer ein Anlegemanöver hinlegt wie ein Profi, hat wahrscheinlich eine lange Geschichte als Skipper oder Bootsbetreiber, in der sich wohl auch so manche unrühmliche Episode findet. Denn, wie ich selbst zugeben muss. Einmal, vor langer Zeit, war ich vor den Augen meines Chefs und meiner Kollegen rückwärts über eine Muringleine gefahren. Ein andermal wollte ich mich elegant um einen Boxenpfahl drehen und vergaß, das Niedrigwasser die darauf wohnenden Schalentiere entblößte, die ich nun mit meinem Rumpf belästigte und die sich prompt mit tiefen Kratzern am jungfräulichen Gelcoat revanchierten.

Langsam und im Winkel von 30 bis 45 Grad zufahren. Foto: Wikimedia Commons

Langsam und im Winkel von 30 bis 45 Grad zufahren. Foto: Wikimedia Commons



Ich erinnere ich mich an eine perfekte Annäherung, doch als ich den Rückwärtsgang zum Bremsen einlegen wollte, brach der Gaszug und ich krachte frontal in den Steg der Bootstankstelle. Fazit: Egal, wie gut oder unsicher man beim Umgang mit einem Boot ist, Umwelteinflüsse wie Wind oder Strom und unvorhersehbare Vorfälle wie technische Probleme können einen zum Dilettanten stempeln. Um Ihnen diese Schmach zu ersparen, haben wir diese 10 Tipps zusammen gestellt, die allen, vom blutigen Anfänger bis zum alten Salzbuckel, helfen sollten, ihre edle Plastikkarosse in die Box steuern, ohne sie dabei zu versenken oder der Infrastruktur (bzw. seinem Ego) allzu großen Schaden zuzufügen.

1) Haben Sie vielleicht schon mal gehört: Nie schneller ranfahren als man für eine Kollision tolerieren würde. Man weiß ja nie, wann ein Missgeschick oder ein unvorhersehbarer Einfluss den schwimmenden Untersatz dazu veranlasst, genau das Gegenteil von dem zu tun, was beabsichtigt ist. Also: Immer so langsam zufahren, dass eine unfreiwillige Ramming nicht tragisch endet.  Der Anfahrtswinkel sollte je nach Umständen, Platzverhältnissen und Bootstypus zwischen 30 und 45 Grad betragen.


2) Immer genug Gas geben, dass man auch hinkommt. Wenn es um Anlegedesaster geht, ist zu wenig Gas gleich hinter zu viel der zweithäufigste Grund für misslungene Manöver.  Man muss ja gegensteuern können und den Kräften von Wind und Strömung trotzen. Wenn man seinem Boot nicht mit aller Deutlichkeit befiehlt, was es tun soll, übernehmen besagte Kräfte das Kommando.


Hier eine Geschichte, wie man es auf keinen Fall machen soll.


3) Vertrauen ist gut, Nachsehen ist besser. Auch wenn man schon hundertmal rückwärts in dieselbe Box gefahren ist, immer zuerst einen scharfen Blick riskieren, ob auch alles klar ist. Das größte Problem sind Muring oder Festmacherleinen, die zurückgelassen wurden und sich während der Abwesenheit selbständig gemacht haben. Eine von diesen Leinen um den Propeller gewickelt ruiniert auch ein optimal angesetztes Anegemanöver. Garantiert.


4) Mit zwei Maschinen, Finger weg vom Steuer, auch wenn man versucht ist. Mit dem Steuer in mittiger Position hat man größere Kontrolle. Wenn man nämlich einschlägt und mit dem Propellerschub das quergestellte Ruder trifft, kann das Boot schnell und unvorhersehbar ausscheren.


5) Wenn es aufbrist, Windwiderstand verringern. Besonders auf kleinen Booten kann das einen dramatischen Einfluss darauf haben, wie leicht oder schwer es ist, anzulegen. Ein Bimini oder Spritzkappe wirken auf einem kleinen Motorboot wie ein Segel und können einen damit vom Kurs abbringen, so wie ein schlecht aufgetuchtes Groß oder unvollständig eingerolltes Vorsegel auf einer Jolle.


6) Niemals Motor aus, bevor die letzte Leine fest ist. Laien beim Anlegen stellen den Motor vielfach schon ab, sobald das Boot in der Box ist, wobei man ja nicht weiß, ob einer aus der Crew nicht eine Leine fallen lässt oder einer der Festmacher sich nicht über den Pfahl werfen oder richtig belegen lässt. Also Motor bleibt an, damit man im Fall des Falles manövrierfähig ist.


7) Keine Angst vor dem Abbrechen. Das gilt besonders für Segelboote mit Hilfsmotor und Sportboote mit einer Innenbordmaschine und Yachten mit eingeschränketer Manövrierfähigkeit. Wenn die Annäherung aus irgendeinem Grund nicht stimmt, nicht mit dem Kopf durch die Wand - und dem Bug an den Strand. Stattdessen Kringel fahren und das Manöver neu ansetzen.


8) Fenderpräzision: Man sollte sich angewöhnen, Fender vor dem Anlegen nicht nur über die Seite zu hängen sondern genau dort zu zu platzieren, wo sie gebraucht werden. Der Skipper muss beurteilen, wo das Boot Pfähle oder Steganlagen berührt und muss sicherstellen, dass die Fender nicht nur am rechten Ort sondern auch in der richtigen Höhe angebracht sind. Mit korrekt ausgebrachten Fendern können selbst die Besten der Welt noch besser anlegen, weil die neuralgischen Punkte geschützt sind.




Wichtig sind die Fender, die am rechten Ort und in passender Höhe über die Reling baumeln sollten. Foto: Wikimedia Commons

Wichtig sind die Fender, die am rechten Ort und in passender Höhe über die Reling baumeln sollten. Foto: Wikimedia Commons


9) Auf einmotorigen Booten immer vor dem Gasgeben das Steuerrad betätigen - nicht während oder danach. Damit geht der Gasstoß nicht nur vorwärts oder rückwärts, sondern auch zur Seite.


10) Immer nur kurze Gasstöße geben. So manövriert man ohne viel Fahrt aufzubauen, die an einem beengten Platz ein Boot rasch aus der Kontrolle geraten lässt.


Bonus-Tipp: Üben, üben, üben. Wann immer es geht. Und vorzugsweise mit einem Boot das einem nicht selbst gehört;-)

Geschrieben von: Lenny Rudow
With over two decades of experience in marine journalism, Lenny Rudow has contributed to publications including YachtWorld, boats.com, Boating Magazine, Marlin Magazine, Boating World, Saltwater Sportsman, Texas Fish & Game, and many others. Lenny is a graduate of the Westlawn School of Yacht Design, and he has won numerous BWI and OWAA writing awards.
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