Segel kaufen: Was Sie wissen müssen
Egal, wie lange man es auch hinauszögern mag, irgendwann werden neue Segel fällig. Wir verraten, wie man richtig entscheidet
Wenn Sie keine Einheitsklasse segeln, in der Material, Bauart und Vermessung der Segel genau geregelt sind, werden Sie einige Entscheidungen treffen müssen. An erster Stelle steht immer die Auswahl des Tuchs, doch auch die Anzahl und die Größe der Reffs wollen bedacht werden und die Frage, ob Sie lange oder kurze Latten bevorzugen. Welche Kriterien bei der Segelwahl ebenfalls wichtig sind lesen sie in unserem Segel-Ratgeber.

Moderner Segelplan: Schmales Groß und eine kaum überlappende Fock erleichtern die Handhabung besonders für Segler, die oft alleine unterwegs sind.
Im Wesentlichen gibt es vier Kategorien von Segeln, die im Laufe der Zeit erneuert werden müssen:
1) Großsegel
2) Vorsegel
3) Sturmsegel
4) Raumschot- und Vorwindsegel
Dabei spielt natürlich die Art der Verwendung des Bootes eine Rolle, aber auch die Häufigkeit, Intensität und die Bedingungen, bei denen Sie häufig unterwegs sind.
Ein neues Großsegel
Früher waren sogenannte durchgelattete Großsegel ausschließlich Multihulls vorbehalten, doch heute findet man sie auch auf zahlreichen Jollen und Kielyachten. Das hat zwei Gründe: Erstens halten die Segel mit durchgehenden Latten besser ihre Form und zweitens haben sie eine höhere Lebenserwartung, weil sie dem tuchschädigenden Flattern selbst bei Starkwind nicht ausgesetzt sind. Doch ist ein Riesenplus. doch es hat auch Nachteile, wie zum Beispiel höheres Gewicht und natürlich auch höhere Kosten. Denn Latten, vor allem wenn sie leicht sind und aus Kohlefaser bestehen, und die dazugehörigen leichtgängigen Schlitten, die Segel und Latten mit dem Mast verbinden, sind teuer. Bei den Mastrutschern stellt sich auch Abnützung ein, denn sie bestehen zumeist aus Aluminium und laufen auf Plastikkugeln an einer langen Schiene am Mast auf- und ab. Dabei stehen sie oft unter großer Last, heißt, sie verschleißen. Dennoch macht sich diese Investition oft bezahlt, vor allem, wenn man das Boot ein wenig länger besitzen möchte.
Viele Segel sind von haus aus mit zwei Reffs ausgestattet, doch für Segler, die Ernstes vorhaben mag das zu wenig sein. Wer für Schwerwetter gewappnet sein will, sollte deshalb danach trachten zumindest drei Reffs ins Großsegel binden zu können, mit denen sich die Länge des Vorlieks um 40 Prozent kürzen und die Segelfläche bei Hack auf ein vertretbares Maß verkleinern lässt. Manche argumentieren sogar, dass vier Reffpunkte sinnvoll sind, weil man sich damit bei Sturm das mühsame Setzen eines Trysegels spart.

Auch ältere Boote profitieren von durchgelatteten Großsegeln, die weniger schnell verschleißen und länger ihre Form halten.
Ein neues Vorsegel
Früher mal waren 130- oder 140-prozentig überlappende Rollgenuas auf fast allen Fahrtenschiffen zu finden. Das brachte gute Performance bei leichtem bi mittelstarkem Wind, doch auch Nachteile, wie zum Beispiel schlechten stand wenn ein großer Teil der Genua wegen zu viel Windes weggerollt werden musste und natürlich große Kraftanstrengung beim Dichtholen der Schoten nach der Wende. Das ist alles weithin bekannt und dafür wurden auch einige gute Lösungen entwickelt, wie zum Beispiel die nicht-überlappende Selbstwendefock. Die ist zwar bei wenig Wind nicht gerade PS-stark, doch dafür müssen sie auch nicht sofort eingerollt werden, wenn es mal ein bisschen bläst, und haben deshalb auch eine deutlich besser Form, was den Segeleigenschaften vor allem auf der Kreuz gut tut. Und weil das Unterliek einer solchen Fock viel kürzer ist, muss man nach einer Wende auch nicht ewig an der Winsch kurbeln, bis das Teil dicht ist und richtig steht.
Wenn Sie ihr Boot auch mit einem entfernbaren inneren Vorstag ausgerüstet haben, werden Sie daran wohl auch eine Schwerwetterfock anschlagen, mit der es sich bei frischem oder starkem Wind (über 25 Knoten) noch gut aufkreuzen lässt. So ein Segel harmoniert oft auch mit einem gerefften Groß besser, womit das Boot auch besser balanciert ist. Welche Bootstypen welche Segel führen erfahren Sie in unserem Ratgeber über Segelboot-Typen.

Moderne Fahrtenyacht mit Kuttertakelung: Der Vorteil sind die beiden Rollvorsegel, mit denen sich die Segelfläche an die jeweiligen Windverhältnisse anpassen lässt, wobei die Bedienung einfach, schnell und sicher aus dem geschützten Cockpit erfolgt.
Viele Rollvorsegel haben mittlerweile auch eine Art Profilvorliek (z. B. durch ein Polster aus Schaumstoff) das helfen soll, die Segelform zu verbessern, wenn das Segel teilweise weggerollt wurde. Ein bisschen aus der Mode geraten ist der blaue Tuchstreifen im Vorliek, der das Segel in aufgerolltem Zustand vor den schädlichen UV-Strahlen des Sonnenlichts schützt. Einerseits macht es das Leben ein wenig komplizierter, weil man nun im Hafen eine gesonderte Segelpersenning (eine Art Socke mit Reißverschluss) an einem gesonderten Fall hochziehen muss, andererseits sind diese UV-Streifen auch ein Hauptgrund, weshalb teilweise weggerollte Vorsegel so schlecht stehen.
Ein neues Sturmsegel
Eine Sturmfock sollte wie ein stark reffbares Groß Teil der Besegelung jeder Yacht sein, die am offenen Wasser unterwegs ist und fallweise auch gegen sehr starken Wind aufkreuzen können muss. Ebenfalls dazu gehört ein Trysegel, das im Fall des Falles anstelle des Großsegels gesetzt werden kann, und so hilft das Boot bei Sturm besser zu balancieren und dabei das Großsegel vor möglichem Schaden zu bewahren.Ein richtig dimensionierte Sturmfock sollte nur 5 Prozent der Fläche aufweisen und maximal 65 Prozent der Höhe des Vorsegeldreiecks eine Yacht aufweisen.
Code Zero und asymmetrische Spinnaker
Wie bei den Vorsegeln bieten auch moderne Raumschotsegel deutliche Verbesserungen, besonders die rollbaren Code Zeros und asymmetrischen Spinnaker haben die Handhabung solch großer Vorsegel revolutioniert. Code Zeros sind gemeinhin Laminatsegel aus leichtem Tuch, können aber auch so geschnitten sein, dass sie auf spitzen Raumkursen bei Leichtwind einsetzbar sind, womit auch der Verlust an Segel-PS kompensiert wird, der dann entsteht, wenn eine große Genua durch eine schlanke Selbstwendefock ersetzt wurde. Die Effizienz dabei ist beeindruckend und ermöglicht es auch schweren, alten Booten bei ein bis zwei Windstärken fast die Geschwindigkeit des wahren Winds zu erreichen. Rollbare asymmetrische Spinnaker decken eine breiteres Spektrum and Windeinfallswinkeln ab, sind aber im Vergleich zu konventionellen Spinnakern eher flach geschnitten, womit sie instabil werden, wenn der Windeinfallswinkel bei mehr als 140 Grad liegt.
Das heißt jedoch nicht, dass die herkömmlichen symmetrischen Spinnaker komplett von der Bildfläche verschwunden sind. Auf vielen Blauwasseryachten kommen sie noch zum Einsatz, besonders dann, wenn es gilt, bei Mittelwind (bis 20 Knoten) geradeaus platt vor dem Laken nach Lee zu segeln. Trotzdem entschließen sich viele Segler für einen asymmetrischen Spi, der für den Vorwindgebrauch etwas bauchiger geschnitten ist und mit einem sogenannten Snuffer leicht zu bergen ist. Bei flachem Wasser und aufmerksamem Steuern lassen sich damit Windeinfallswinkel von bis zu 165 Grad bewältigen. Bei schräg einfallenden Wellen reduziert sich dieser Winkel um mindestens 10 Grad, auch weil viele auf Nummer sicher gehen wollen, und eine Patenthalse vermeiden wollen.

Dieselbe Yacht nun unter Gennaker, der auf Raum- und Halbwindkursen zusätzlich zu oder anstelle der beiden Vorsegel gesetzt wird.
Erst messen, dann kaufen
Historisch gibt’s bei Segelyachten viel weniger Standardisierung als z.B. auf Motorbooten. Dieser Trend beginnt sich langsam zu verschieben, weil Einheitsklassen mit strikten Vermessungsvorschriften immer beliebter werden, doch generell darf man nicht davon ausgehen, dass auf zwei Booten gleicher Bauart die Segel exakt gleich dimensioniert, bzw. ausgelegt sind. Auch wenn die Längen der Lieken alle gleich sein sollten, können Lümmelbeschläge und Reffeinrichtungen verschieden sein (z.B. durch eine Weiterentwicklung des betreffenden Bootsmodells), womit sich aber auch die Position der Kauschen verschiebt.
Das Beste ist in jedem Fall, den Segelmacher zu bitten, die Detailvermessung vorzunehmen, damit am Schluss auch alles passt. Dabei spielt es keine rolle, wo das Segel hergestellt wird (wie z. B. in Fernost, wo viele Segelmacher arbeiten lassen).
Andere Erwägungen
Die Verarbeitung und die Ausstattung beeinflussen die Arbeitszeit und die Preisgestaltung. Man ist versucht, in dem Bereich zu sparen, was zweifelsohne den Kaufpreis vergünstigt, doch man soll sich dabei auch daran erinnern, dass nichts teurer ist als billige Ware. Im gegenständlichen Fall könnten Sei damit ein neues Segel setzen, das seine Form nicht lange behält, das schnell verschleißt, weil die nötigen Verstärkungen nicht oder schlampig angebracht wurden oder weil material von minderer Qualität verwendet wurde. Nehmen wir zum Beispiel die Lattentaschen, die auf einem durchgelatteten Segel verstärkt sind. Bei einem Billigprodukt kann das Dacron sein, das schnell verschleißt, während bei einem höher wertigen Segel gleicher Bauart für diese Verstärkungen ein Tuch mit Aramidfasern verwendet wird, das wesentlich widerstandsfähiger ist, weniger Dehnung zulässt, dabei oft leichter ist - aber eben auch teurer. Es empfiehlt sich daher, vor dem kauf mit dem Segelmacher zu besprechen, für welchen Einsatz das neu Segel gedacht ist, und welche Lebensdauer es idealerweise haben soll, bevor es neuerlich ersetzt wird.

Besonders im Frühjahr herrscht in Segelmachereien Hochbetrieb, deshalb lohnt sich eine rechtzeitige Bestellung. Foto: Hobie Cat
Und noch ein guter Rat am Schluss: Vermeiden sie nach Möglichkeit den Ansturm im Frühjahr, wenn alle Segelmacher mit Bestellungen und Anfragen bombardiert werden. Segeln ist vielerorts ein sehr saisonabhängiges Geschäft, deshalb ist es am besten, Segel während der eher ruhigen Monate am Saisonschluss zu bestellen, damit man sie für die erste Ausfahrt im Frühjahr an Bord hat. Dabei lassen sich manchmal auch noch ganz gute Rabatte aushandeln, die im Frühjahr wohl nicht angeboten werden, wenn alle alles wollen und das natürlich sofort.
Benötigen sie Hilfe bei der Wahl des richtigen Segeltuchs? Unser Autor Rupert Holmes hat die nützlichsten Tipps zusammengetragen.